Standortsoziologie - der Einfluss von Werte- und Denkhaltungen auf Standortqualitäten


Es sind die individuellen und kollektiven Werte- und Denkhaltungen der vor Ort befindlichen Menschen, die einen Standort prägen. Sie sind bestimmende Faktoren für die Wirtschaftskraft, Innovationsfähigkeit und damit auch für die Lebensqualität eines Standortes.

In den nächsten Jahren wird es daher entscheidend sein, das Potential und die Wertvorstellungen der Menschen vor Ort in den Entwicklungsprozess von Standorten mit einzubeziehen. Dabei sind folgende Inhalte zu berücksichtigen: die Art und Weise wie Menschen mit ihrer Arbeit, mit ihrem Umfeld, mit der Gesellschaft umgehen, wie sie denken und sich engagieren. Standorte sind soziale Systeme mit einer eigenen individuellen Standortpersönlichkeit. Jeder Standort hat sein spezielles Psychogramm ähnlich einer Einzelpersönlichkeit. Und zahlreiche Studien zeigen auf, dass eine eindeutige Korrelation zwischen der Wirtschaftskraft und dem Sozialkapital eines Standortes besteht.

Im Rahmen der Studie „Gestaltung günstiger Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe im ländlichen Raum“ wurden 18 ausführliche Gemeindeportraits erstellt. Wenngleich die Haupterkenntnis dieser Studie die Individualität der Situationen und der darauf aufbauenden Maßnahmen betont, werden abschließend einige Empfehlungen in Form von Thesen formuliert (Auszug der Thesen, die speziell für die Standortsoziologie relevant sind)1):

These 1: Bei der Projektentwicklung auf kommunaler Ebene ist ein Bottom-up-Ansatz erfolgversprechender als ein Top-down-Ansatz.
Initiativen und Projekte zur Gemeindeentwicklung, die aus der Bevölkerung oder der ansässigen Unternehmerschaft heraus entstehen, sind näher an den Bedürfnissen und der Lebenswelt der Betroffenen. Die Gemeindebürger können sich daher leichter mit dem Vorhaben identifizieren und fühlen sich eher davon betroffen.

These 2: Für eine positive Gemeindeentwicklung sind sämtliche Bevölkerungsgruppen in den Strategiefindungsprozess und die Strategieumsetzung einzubinden.
Je mehr Bevölkerungsgruppen in die Gemeindeentwicklung einbezogen werden, desto mehr Einzelinteressen fließen in den Prozess ein und desto mehr Information und Kreativität werden erschlossen.

These 3: Ein guter sozialer Zusammenhalt in der Gemeinde führt zu einer guten Stimmung unter der Bevölkerung und Unternehmerschaft. Eine gute Stimmung ist nicht nur für die Anregung wirtschaftlicher Aktivitäten innerhalb der Gemeinde förderlich, sondern steigert auch die Standortattraktivität.
Die Stärke des sozialen Zusammenhalts ist in einem hohen Ausmaß für die Stimmungslage in der Gemeinde verantwortlich. Enge soziale Bindungen schaffen eine gute Stimmung. Als bedeutender Teil der Lebensqualität ist die Stimmung unter anderem mitverantwortlich für Migration und Familiengründungen sowie Arbeitsmotivation, Berufswahl und Gründungsentscheidungen.

These 4: Um die Trägheit verkrusteter Strukturen in Gemeinden zu überwinden und unternehmerische Aktivität anzuregen, kann es notwendig sein, den Leidensdruck auf die Bevölkerung und Unternehmerschaft kurzfristig zu erhöhen.
Bei der Entwicklung und Umsetzung von Zukunftsstrategien für die Gemeinde und die lokale Wirtschaft haben der Bürgermeister und die Gemeindevertreter in erster Linie die Aufgabe, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Ergibt sich dennoch keine ausreichende unternehmerische Aktivität in der Gemeinde, so kann über eine Einschränkung der Leistungen der Gemeinde der Leidensdruck erhöht und die Bevölkerung und Unternehmerschaft extrinsisch zu Aktivität motiviert werden.

These 5: Intensive Kommunikation und ein offener Umgang mit Informationen tragen zu einer besseren Abstimmung und damit zu einer gegenseitigen Verstärkung der Aktivitäten der einzelnen Gemeinden innerhalb einer Region bei.
Information ist die Grundlage, auf der Akteure die Konsequenzen ihrer Entscheidungen und Handlungen prognostizieren. Je mehr Information ihnen dabei zur Verfügung steht, desto zuverlässiger sind die Prognosen und desto treffsicherer fallen die Maßnahmen zur Gestaltung einer positiven Gemeindeentwicklung aus. Die Informationsbasis wird über offene und ehrliche Kommunikation geschaffen.

These 6: Die Persönlichkeit und das Verhalten des Bürgermeisters ist für eine positive wirtschaftliche Entwicklung in Gemeinden erfolgskritisch.
Gemeinden mit guten Voraussetzungen können am eigenen Bürgermeister scheitern. Gleichzeitig können Bürgermeister Gemeinden aus denkbar schlechten Situationen heraus zu einer dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung führen. Dies gelingt besonders dann, wenn durch eine geschickte Entwicklungsstrategie bisher als ungünstig wahrgenommene Gemeindecharakteristika in den Köpfen der Bevölkerung und Unternehmerschaft in wichtige Ressourcen umgewandelt werden können. Oft kommt es nicht so sehr darauf an, was der Bürgermeister tut, sondern darauf, was er nicht tut.

1) Literaturverzeichnis
Mugler/Fink/Loidl: Gestaltung günstiger Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe (Kurzfassung). Wien 2006. S. 21 / S. 42-50

Detailinformationen erhalten Sie per E-Mail: egger@partner.co.at
oder unter Tel. +43 (0)732 / 716 811 - 0

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